Vielleicht haben Sie es einmal erlebt, dass Sie bewusst von jemand anderem verletzt worden sind. Das ist schon schlimm, wenn es von Fremden oder Feinden geschieht, es ist aber nicht auszuhalten, wenn es von Menschen aus meiner Umgebung geschieht. Ich habe von Schicksalen in Familien gehört, wo mir nur vom Zuhören der Zorneskamm schwoll. Ob es da um Erbstreitigkeiten ging, um Gewalt oder Missbrauch auf diversen Ebenen, es kann starke innere Wunden hinterlassen. So etwas passiert nicht nur in Familien, sondern kann auch in Ordensgemeinschaften geschehen – es sind ja überall dieselben Menschen. Und die Gefahr ist groß, dass selbst nach Jahren der Groll so groß ist, dass man sagt:
Das kann ich dem nie vergeben!
… Der Übeltäter (vielleicht ist das aber auch nicht ganz klar) hat das vielleicht noch nicht mal voll bemerkt oder richtig gewertet. Vielleicht hat er es sogar schon vergessen. Aber einem selbst wird selbst noch nach Jahrzehnten das Leben vergält. Um ein Bild zu gebrauchen, wir halten diese alte Wunde in unserem Herzen fest. Und bekommen so nie die Hände unseres Herzen frei, um neue, gute Erfahrungen anzunehmen und zu genießen.
Von daher ist es vielleicht auch verständlich, wenn man im Evangelium immer wieder von der Notwendigkeit der Vergebung und Vergebungsbereitschaft hört mit teilweise drastisch klingenden Worten Jesu (vergleiche: Matthäus 18,21-35). Aber warum wird das von Jesus gerade mir, dem damals Verletzten, so nachdrücklich ans Herz gelegt? Weil ich durch das Festhalten an meiner Verletzung und durch das Nähren meines Grolls, ich vor allem mir selber schade, weil mein Herz nicht wirklich neu durchatmen kann. Vergebung setzt darum auch nicht, wie Versöhnung, das Verstehen und Eingestehen des Schuldigen voraus. Vergebung heißt auch nicht, dass ich mich wieder so verletzen lassen muss, gerade wenn die ungute Beziehung noch besteht und auch so schnell nicht vergeht. (Da sind dann gute Gespräche hilfreich, um eine Distanz zu erlernen.) Aber wenn es mir gelingt, innerlich Vergebung (ungleich: Vergessen) auszusprechen, komme ich so schneller aus einer Opferhaltung heraus, die mein Leben ansonsten vergiften würde. Dabei kann auch mein Verstand vorausgehen mit dem Aussprechen der Vergebung, auch wenn mein Herz das noch nicht kann.
Aber schauen Sie doch mal in dieser Fastenwoche in ihre Geschichte, ob da vielleicht noch Unversöhntheiten sind, die man vergeben könnte, damit so Ihr Herz frei wird für die Freude, für die Gott Ihr Herz eigentlich gedacht hat.
Ihr P. Adrian Kunert SJ
Bild: Pixabay
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