Wenn die Weihnachtsmärkte öffnen und die Glühweindünste zwischen den Ständen wabern, wenn immer hektischer Weihnachtseinkäufe gemacht werden unter Dauerberieselung von „Weihnachtsmusik“… dann fühlte es sich früher an, wie „normaler“ Advent. Klar habe ich mich über den Kommerz aufgeregt, über die Verschiebung von Belanglosem als Zentrum. Es lag trotz allem eine schöne Melancholie über allem, der auch ich mich nicht entziehen konnte und wollte.
Dieser Advent aber ist anders; ganz anders. Schon seit März terrorisiert dieses kleine Virus die Welt. Wann kommt es bei uns an? Wann erwischt es mich? Ich bin Risikogruppe, wie schlimm wird es werden? Im Sommer „verschwand“ das Virus unter wachsamen Augen fast… Doch die Propheten sagten: Leute, es wird eine zweite Welle geben, und die wird nicht lustig. Manches wurde vorbereitet. Aber ohne akute persönliche Not, fiel es auch der Politik schwer, nötige Entscheidungen zu fällen (man vergleiche Aktionen zum Klimawandel) – und dabei sind wir in Deutschland da noch ganz gut dran. Jetzt ist das Kommende wieder da – und die Welle ist furchtbarer als im Anfang, genauso wie einst im Frühjahr verheißen ward. Zwar weiß man mehr, kann es besser behandeln, aber es gibt auch mehr Egoisten, die sich in einer „Diktatur“ wähnen, die durch ihr asoziales Verhalten, vieles einreißen, was die überwältigende Mehrheit bisher hatte vermeiden helfen. Und der Winter hat gerade erst begonnen mit engeren Räumen voller Aerosole und kaum möglicher Mindestabstände.
Wenn man die Kranken in den Spitälern sieht, wie sie erwischt wurden von dieser Geißel, wie sie leiden und manchmal trotz aller Mühen einsam sterben, dann erhält der Advent auf einmal ein anderes Gesicht. „Das Volk, das im Dunkeln wohnt“ sehnt sich eben nach Licht am Ende des Tunnels, und zwar nicht nur für die Weihnachtsmärkte! Die sind auf einmal wieder so belanglos. Wenn man vor sich hin hustend, keine Luft mehr hat, dann sehnt man sich nach ganz normalen Zeiten des Aufatmens. Wenn man als Pflegekraft oder Arzt oder auch sonstiger Mitarbeiter im Krankenhaus seit Monaten am Limit arbeitet, dann sehnt man sich nach einem ganz normalen Dienst, wo man auch mal durchatmen kann. Wenn man – wie in vielen Branchen - auf einmal vor den Scherben seiner Existenz steht und auch staatliche Hilfen den Untergang nur verzögern können, dann sehnt man sich nach einer Erlösung aus dieser Katastrophe. Alles melancholisch Gemütliche fand ein brutales Ende. Einsamkeit, Angst, aber auch Verdrängung treffen auf die Mitte einer Gesellschaft und zwar nicht nur die Alten und Kranken, sondern auch viele, viele andere. „O komm, o komm Immanuel (Gott mit uns), nach Dir sehnt sich Dein Israel!“ Die Sehnsucht nach der verlorenen „Normalität“ brennt und verbrennt manche, für Andere aber wird es immer dunkler…
In diesem Jahr brauchte ich mir bisher keine extra Freiräume für Ruhe und Betrachtung zu schaffen. Die haben die Vorsichtsmaßnahmen und die Quarantäne geschaffen. Das Ringen nach Luft machte deutlich, wie sehr wir Heilung und Erlösung wirklich brauchen. Und ich selber kann rein gar nichts tun, um da herauszukommen. „Wann kommst Du also, Immanuel?“ Und wer wird Dich ersehnen? Wenn ich mir überlege, wie privilegiert wir hier leiden, dann wird das Ganze nur noch schärfer, selbst schon in Europa reichen die Hilfen nicht aus. Es ist keine theoretische Not, von der wir wissen. Und es wird deutlich: Wir können nicht alles planen und wegorganisieren.
Werde ich diesmal wirklich da sein, wenn Du kommst? Werde ich den Stall meines Herzens mit wahrer Sehnsucht und Buße vorbereitet haben? Werde ich Deine Krippe mit dem Stroh meiner kleinen Kraft gefüllt haben? O komm, o komm, Immanuel! Nach Dir sehnt sich Dein Israel.
P. Adrian Kunert SJ