Gedanken zum Triduum Paschale
Manchmal schleicht durch unsere Gänge und Zimmer eine merkwürdige Gestalt. Unauffällig grau im Gesicht und in der Kleidung. Es ist kaum möglich, ihr Alter zu schätzen. Manchmal wirkt sie jung, manchmal uralt. Direkt lässt sie sich ungern in ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht verwickeln. Wenn man sie grüßt, rennt sie an einem vorbei, als hätte sie nichts gehört. Wiederholt man den Gruß, wird sie nur noch schneller – ohne je zu antworten. Von selber käme sie nie auf die Idee zu grüßen. Aber eigentlich ist sie recht kommunikativ. Meist schaltet sie sich ungefragt in laufende Gespräche ein: „Hast Du schon gehört, was der schon wieder gemacht hat.“ Es ist die Schwester Motzerella. Bitte verwechseln Sie sie nicht mit der allseits geschätzten Kollegin Schwester Mozzarella; aber über
die reden wir hier nicht.Schwester Motzerellas Gegenwart fällt vor allem dadurch auf, dass man ins Reden darüber kommt, was alles NICHT klappt. Mag es am Anfang auch nur eine berechtigte Kritik gewesen sein, die sich auf einen konkreten Missstand bezog, beginnt – sobald Motzerella auftaucht – eine Abwärtsspirale, was hier eigentlich alles nicht klappt. Am meisten gefallen ihr dann auch Unterstellungen. In Motzerellas Gegenwart verschwinden auch hurtig eigene Anteile und die anderer werden stärker. Sollte einem einmal nichts einfallen, worüber man motzen könnte, hilft Motzerella gern damit aus, was sie auf Nachbarstationen oder an Nachbarschreibtischen gehört habe. Ob es wahr wäre? Das spielt doch keine Rolle. Motzerella hat so einen Spaß an diesem Spiel, dass ich mich manchmal ertappe, Dinge, die ich zu tun habe, nicht getan habe, die ich dann nachholen musste; ärgerlich natürlich, weil, wenn die anderen nicht so einen Blödsinn machen würden, hätte ich in Ruhe meiner Arbeit nachgehen können. Und so wird alles immer schlimmer und die anderen immer böser.
Schwester Motzerella verstummt allerdings recht schnell, wenn Schwester Gratia auftaucht. Die fragt meistens danach, von wem Schwester Motzerella dies und das denn wisse und ob man da nicht helfen könne. Das kann ja Motzerella überhaupt nicht ab! Denn Schwester Gratia hat die Fähigkeit, immer und überall etwas zu entdecken, was schön und lobenswert ist, Freude macht und darum Dank (Gratias) verdient. Nicht umsonst heißt Schwester Gratia (Anmut, Liebreiz, Wohlgefälligkeit, Beschwingtheit, Liebenswürdigkeit) so. Interessanterweise sind es oft Situationen, die unter Motzerellas Einfluss noch ganz anders aussahen, die auf einmal hell werden.
Schwester Gratia kann auch feiern. Ja, eigentlich ist es schon ein Fest, wenn sie auftaucht mit ihrem glockenklaren „Danke“ oder „Bitte, gern geschehen“ und auch „Guten Morgen“. Sie liebt es, Brücken und Gemeinschaft zu bauen. Sie traut dem Gegenüber etwas zu, springt aber klaglos auch in die Bresche, wenn es mal hakt.
Ich sehe beide Schwestern in mir. Die eine taucht immer schleichend auf, wenn man ihr nicht entgegentritt. Die andere kann ich aber durch eine bewusste Entscheidung herbeirufen. Geht es Ihnen auch so? Wie wäre es, wenn wir uns dann jetzt wenigstens bis zum Osterfest fest vornehmen, der Schwester Motzerella keinen Raum mehr zu geben, also nicht rumzumotzen, sondern Dankbarkeit zu üben und zu lernen. Wenn man dies einübt, einander hilft, kann diese graue Schwester zum Beginn des Triduum Paschale (Gründonnerstag Abend bis zum Ostersonntag) in Ruhe mit-sterben, damit ab Sonntag nur noch Schwester Gratia unter uns wirkt. Die Kraft dazu erhalten wir schon geschenkt – Deo Gratias.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete
Karwoche
und ein erfülltes und gesegnetes
Osterfest!
P. Adrian Kunert SJ
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