Mit vier Jahren wurde die Nichte der hl. Hedwig von Andechs/Schlesien aus ihrer Heimat Ungarn genommen,
um am Hofe ihres künftigen Gatten erzogen zu werden, mit 14
verheiratet, drei Kinder, mit 19 Witwe nach einer kurzen glücklichen
Ehe. Franziskaner, die nach Eisenach kamen, entflammten auch sie für
das befreiende Armutsideal, dass sie schon bald mit dem Hof in
Spannung bringen sollte. Solange ihr Mann, der Landesgraf lebte,
hatte sie nichts zu befürchten. Aber kaum war der tot, wurde sie von
ihrem Schwager samt ihren Kindern vertrieben. Ihr Onkel, der Bischof
von Bamberg, wollte sie neu verheiraten; aber selbst den Kaiser
lehnte sie ab, weil sie arm dem armen Christus dienen wollte. Der
Papst wurde einschaltet, damit sie wenigstens ihr Witwenvermögen
bekam. Auf dieses wollte sie eigentlich verzichten. Das wurde ihr
aber verboten, darum stiftete sie damit ein Armenhospital (in
Marburg) und arbeitete selber darin. Sie tat viele Arbeiten vor denen
anderen ekelte. So sehr brannte sie für die Armen, dass sie
entkräftet mit 24 Jahren starb. Vier Jahre später war sie "heilig"
gesprochen worden. Das war vorher nur beim heiligen Franziskus
schneller gegangen; die Mühlen der Kirche mahlen bekanntlich
langsam. Hatte diese Heilige also einen Vogel? Von außen betrachtet
wohl – ja. Was hätte sie noch alles erreichen können, wenn sie
länger gelebt, sich ein bisschen mehr geschont hätte?
Aber solche Heilige kann man so nicht
messen; denn sie tanzen nach einer Musik, die wir zwar theoretisch
auch hören könnten, wenn uns nur nicht so sehr die Angst vor dem
Verlust von Status, Besitz und Anerkennung anderer ausbremste. Der
heiligen Mechthild von Helfta, Mitschwester unserer Krankenhauspatronin Gertrud,
offenbarte Gott in einer Vision, was an Elisabeth so besonders war,
dass sogar das Wunder geschah, dass die Mühlen der Kirche mal nicht
langsam mahlten, und sie schon nach vier Jahren „heilig“
gesprochen war: „Es gehört sich für einen Boten, schnell zu sein.
Elisabeth ist und war
ein Bote, den ich zu den Frauen gesandt habe, die, ohne an ihr
Seelenheil zu denken, auf den Burgen saßen, von der Unkeuschheit so
tief durchdrungen und vom Hochmut ganz bedeckt und von der Eitelkeit
so beständig umhüllt, dass sie von Rechts wegen für den Abgrund
bestimmt gewesen wären. Elisabeths Vorbild sind viele edle Frauen
gefolgt, so weit ihr Wille und ihre Kraft eben reichten.” (Das
fließende Licht der Gottheit V, 34)
Und
das ist, glaube ich, wirklich der Punkt. Wäre Elisabeth nicht in
ihrer Zeit wie eine Supernova aufgestrahlt und verglüht, hätte sie
eben nicht mehr erreichen können. Angespornt durch ihr Beispiel
bahnte sich eben nun ein vielfältiger Strom der Nächstenliebe –
diesmal von Frauen angetrieben – seine Bahn. Und da sind wir wieder
bei der Frage von oben. „Hatte sie einen Vogel?“ Solange man sich
der echten Liebe verweigert, solange wird man nicht verstehen, was
sie getan hat und irritiert davor stehen bleiben. Wenn man sich aber
von ihrem Beispiel entzündet der Liebe öffnet, die aus dem Herzen
Gottes strömt, die auch Leiden und Treue umfasst und nicht nur ein
romantischer Abklatsch ist, in Herzen, die nicht mehr angstvoll an Vergänglichem festhalten, dann beginnt man zu begreifen, warum diese
Frau mit ihrem Leben und Sterben bis in unsere Zeit strahlt.
Abgesehen von der Jungfrau und Gottesmutter Maria ist im deutschen
Sprachraum wohl keine Frau zu Recht so verehrt und nachgeahmt worden
wie sie.
Also
gönnen wir uns auch so einen Vogel – aber den richtigen.
Und versuchen wir es nicht aus eigener Kraft - das endet nämlich im burn out.
P.
Adrian Kunert SJ
zum
Fest der heiligen Elisabeth
19.11.2021