„Wenn Jesus damals nicht den bösen Riesenkürbis besiegt hätte, wären wir alle jetzt nicht hier.“ Diesen alten Spottvers auf traditionsvergessene MitbürgerInnen kennen Sie ja vielleicht. Viele feiern am Reformationstag (31.10.) oder am Vorabend von Allerheiligen (1.11., All Hallow's Eve) Halloween; für die meisten ist es wohl nur ein bisschen Karneval für Kinder, etwas Grusel-Grusel – und viel Kommerz. Und ist es schlimm, dass das geschieht? Schließlich gab es so ein Wichtigwerden und Unwichtigwerden verschiedener Feste schon immer. Laut Überlieferung soll Luther am Vorabend vor Allerheiligen die 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg geklopft haben – und das war auch zu einer Zeit, als vieles Wichtige in Vergessenheit oder in arge Schieflage geraten war.
Um das bewerten zu können, muss man sich anschauen, was in Vergessenheit geraten war oder was durch das Neue überdeckt zu werden droht; denn das geschieht ja fortwährend. Schon in vielen Paulusbriefen in der Bibel geht es darum, dass Menschen, oft mit besten Absichten, das Eigentliche preisgeben, ohne dies zu bemerken (vgl. Galaterbrief).
Fangen wir dazu einmal mit dem Allerheiligenfest an. Es war ursprünglich in der Ostkirche ein Fest nach Pfingsten, wo all derer feiernd gedacht wurde, die ihren Lebenslauf voll Glauben und Bekennermut vollendet hatten, ob bekannt oder unbekannt. Das waren in den ersten Jahrhunderten vor allem die Märtyrer (Zeugen), die dafür sogar ihr eigenes Leben hingegeben haben; später (ab Martin von Tours) auch Menschen mit einem vollendeten guten christlichen Leben. Aber da fing schon eine Verschiebung der Inhalte an; Paulus bezeichnet alle, in der Gemeinde Versammelten als „Heilige“, noch unabhängig davon, ob sie heiligmäßig gelebt hatten oder auch nur mäßig heilig; denn das, was heiligt, ist ein Leben in Gott. In der Stadt Rom war das Fest ursprünglich verbunden mit der Umwidmung des Pantheon (=allen Göttern) 609 in das Patrozinium „Maria und allen Märtyrern“ und mit Ostern verbunden – am Freitag der Osterwoche. Aber letztlich feierte man es im Abendland in den verschiedenen Regionen noch zu unterschiedlichen Zeiten. Im 8. Jahrhundert verlegten es die Iren auf den Beginn des keltischen Jahres (Winteranfang, 1. November). Mit den Missionaren verbreitete sich dieser Termin auch auf dem Kontinent. 835, also hundert Jahre später, legte es Papst Gregor IV. für die ganze Westkirche auf den 1. November fest. So erhielt das Fest auch eine Prägung der „Ernte für die Ewigkeit“ vor dem Hintergrund der im Winter „sterbenden Natur“. Das wurde noch dadurch verstärkt, dass Ende des 10. Jahrhunderts die Abtei von Cluny (Reformkloster) noch einen Tag (Allerseelen) für die Verstorbenen am 2.11. anfügte, für die, die noch nicht in der vollen Gemeinschaft mit Gott, also noch im Fegefeuer (Purgatorium) waren; das darf man nicht mit der Hölle verwechseln. Das Purgatorium gehört schon zum Himmel und ist eher so etwas wie eine „Waschanlage“ für die Christen, die in ihrem Leben das Christliche eher inkonsequent gelebt haben, nicht in Todsünden, aber eben auch nicht lupenrein von hinnen schieden. Den „armen Seelen im Fegefeuer“ konnte man im Rahmen der innerchristlichen Solidarität durch Gebete und gute Werke (Wallfahrten etc.) die „Zeit“ verkürzen oder sogar ganz ablassen helfen (=Ablass). Bußen in der alten Kirche, und solche, die nach Beichten aufgegeben worden waren, waren oftmals sehr schwer (vgl. im Tannhäuser die Fußwallfahrt nach Rom). Darum wurde zuerst vereinzelt gestattet, das auch mit einer Spende zu tun. Aber wie so oft wurde damit ein Damm eingerissen; denn das war der Anfang dessen, was zum Ablasshandel in Luthers Zeit verkommen würde. Dagegen stand Luther zurecht auf und sagte unter anderem: die Leute sollen die Sünde meiden, nicht nur die Strafe vermeiden wollen. Sie sollten allein auf Gott vertrauen und nicht ihr Heil verdienen wollen; denn weder können noch brauchen sie das. Gott schenkt es allen, die Ihm vertrauen, umsonst.
Und wie ist das mit Halloween? In Amerika hat sich da eine eigene neuheidnische Subkultur um den Vorabend von Allerheiligen entwickelt, die in Europa ebenfalls eifrig importiert wurde. Vielleicht kann man sich ja anlässlich dieses Spektakels fragen: Wie ist das eigentlich mit mir? Was ist die bleibende Frucht, die ich in meinem Leben sehe? Wo möchte ich vielleicht noch einmal gegensteuern, damit das, was mir Gott schenken will, zur Geltung kommen kann und nicht nur Stroh übrig bleibt, das verbrennt, sobald der reinigende Atem Gottes darüber weht (1 Kor 3,15).
P. Adrian Kunert SJ
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