Ursprünglich fastete man in der gesamten Fastenzeit. Das
bestand vor allem in einer Enthaltung von Speise unter das nötige Maß (einmal
sättigend am Tag und dann noch eine kleine Zwischenmahlzeit). Zusätzlich war
und ist die Fastenzeit auch eine Abstinenzzeit, in der man sich bestimmter
Speisen ganz enthielt – Fleisch zB. Heute gibt es in der (römisch-)katholischen
Kirche nur noch zwei gebotene Fasten- und Abstinenztage: Aschermittwoch und
Karfreitag.
Bis hierher war das nur eine äußere Beschreibung der
vorösterlichen Bußzeit. Es geht aber nicht darum einfach nur Regeln
einzuhalten, weil sie vorgeschrieben oder gar in Mode sind, oder sich durch
Süßigkeitenverzicht zu kasteien bis die Familie den dadurch unausgeglichenen
Vater nicht mehr ertragen kann.
Es geht darum, durch Abstinenz und/oder Fasten einen inneren
und äußeren Freiraum zu gewinnen, durch den wir die Prioritäten in unserem
Leben wieder einmal überprüfen können. Ist das, wofür ich mich abrackere das,
was wirklich wichtig ist, oder nur das Dringende, das andere gerne von mir
erledigt hätten, was mir aber eigentlich ziemlich egal sein könnte? Und: wie
finde ich einen guten Maßstab, meine Prioritäten dahin gehend zu überprüfen?
Im ersten jüdischen Tempel (ca 950-600 v. Chr.) auf dem
Tempelberg in Jerusalem gab es etwas ziemlich einmaliges. Denn dort stand nicht
– wie in allen anderen Tempeln jener Zeit – das Kultbild irgend eines
heidnischen Götzen, sondern die Bundeslade mit den Geboten vom Sinai. Und in
diesen Gesetzen geht es im Kern um Gerechtigkeit, also biblisch verstanden: das
rechte Verhältnis der Menschen zu Gott und untereinander, um wahrhaft gute
Beziehungen also. Das, was vor dem Ewigen Bestand hat, weil es gut ist,
bleibt mir auch in Ewigkeit angesichts der ewigen Glut seiner Liebe. Das was
Stroh ist, weil es unwichtig oder sogar schlecht ist, verbrennt.
Menschen neigen aber oft dazu, einfach nur die Regeln zu erfüllen,
weil man das leicht abhaken kann, und vergessen dabei, dass es ja eigentlich um
die Beziehung geht. Dann entstehen veräußerlichte Kulte, die Tod bringen und
Menschen einschnüren. Schon die Propheten hatten darauf hingewiesen, dass Gott
lieber gerechtes, barmherziges Handeln von uns möchte, als den Verzicht auf
Speisen und Tätigkeiten. Wie geht dieses Prioritäten wahrnehmen aber genau?
Im Mittelalter, wo die heutige Form des
Aschermittwochsgottesdienstes um 1300 herum entstand, entstand auch eine Frömmigkeitsübung,
die uns heute etwas fremd anmutet. Es war die „Gut Tod Betrachtung“: Wenn ich
jetzt wüsste, dass ich in ein paar Stunden meinem Schöpfer gegenüber stehen
werde, was würde ich noch tun wollen, bevor mein irdisches Leben zu Ende
gegangen sein wird? Die heilige Gertrud, Patronin unseres Hauses, hat das in
der Form gemacht, dass sie an jedem Freitag, ihr Testament geschrieben hat. Da
sie als Ordensfrau nichts persönlich besaß, ging es dabei also vor allem und
geistige Dinge und Prozesse. Was will ich, woran sich Leute an mich erinnern,
dass ich reich war oder dass ich ein guter Mensch war; dass ich berühmt war
oder dass ich sich meine Familie auf mich verlassen konnte; dass ich mir dieses
oder jenes geleistet habe oder dass andere Menschen durch meine Barmherzigkeit
leben konnten? Das ist der Sinn wenn die Asche auf’s Haupt gegeben wird mit dem
alten Spruch: Mensch, bedenke dass Du Staub bist, und zum Staub kehrst Du
zurück. Seit ein paar Jahrzehnten gibt es auch den Spruch: Bekehre
Dich und glaube an das Evangelium! Ersteres spielt darauf an, dass der
Mensch aus Erde entstanden ist und auch wieder dahin zurückkehrt, dass wir also
vergänglich sind, außer – und darauf zielt der zweite Satz – wenn wir uns auf
den guten Gott verlassen.
Hier sind wir auch wieder beim Spruch aus der Überschrift.
Es geht darum, dass in unserem Leben alles stirbt, was es nicht wert ist, dafür
sein Leben einzusetzen. Das „sich mit anderen Vergleichen“, das Gieren nach
Geld, Ruhm, die maßlose Bedürfnisbefriedigung (Essen, Trinken, Sex…) und
Ähnlichem. Und dass statt dessen in mir jetzt schon wachsen darf, was schon
hier zu Gottes Ewigkeit gehört: Barmherzigkeit, Versöhnung, Mildtätigkeit,
Liebe…
Diese „sieben Wochen
ohne“ (evangelische Aktion), die in der orthodoxen Tradition auch als die Zeit der „glanzvollen
Traurigkeit“ bezeichnet wird, möge Euch helfen, die wahren Beziehungen wieder recht in den Blick zu bekommen und zu ehren.
P. Adrian Kunert SJ
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