In der ostkirchlichen Tradition erleben
die wundersam von Engeln herbeigetragenen Apostel den Tod Mariens so,
dass sie von Engeln unterstützt ihre himmlische Reise antrat. Ihre
irdischen Kleider verblieben aber hier. Dem Zweifler Thomas, der es
auch hier irgendwie schaffte, zu spät zu kommen, ward der Gürtel
zuteil. Diese Kleider würden nun in Trier, Aachen, Prato (Toskana)
und anderswo aufgehoben. Diese Variante der Legende erzählte
Caesarius von Heisterbach um 1215.
In der westkirchlichen Tradition vor
allem im Alpenraum – und das ist die Grundlage auch der dortigen
Volksbräuche – geschah gemäß der Legenda Aurea folgendes: Es
wurde auf Weisung eines Engels dem Leichnam Mariens eine Palme
vorausgetragen; als Christus selbst drei Tage nach dem Tod seiner
Mutter auf Erden erschien, um sie auf ihrem Weg in den Himmel zu
begleiten, berichtet dieselbe Legende, habe sich ein
unaussprechlicher Duft verbreitet. Eine jüngere Legende erzählt,
als man das Grab Mariens später geöffnet habe, seien nur Rosen
vorgefunden worden. Hintergrund davon ist wahrscheinlich, dass die
jahreszeitlich bedingte Getreidereife und Hochblüte der Natur damit
in Erinnerung brachte, dass Maria traditionell als "Blume des
Feldes und Lilie in den Tälern" (Hoheslied 2,1) verehrt und
seit dem 5. Jahrhundert als "guter und heiliger Acker"
benannt wurde, der eine göttliche Ernte brachte, woraus sich auch
die Darstellung Maria im Ährenkleid entwickelte.
Das Fest wird schon ab dem 4. Jahrhundert in Syrien gefeiert. 431
führt es Cyrill von Alexandrien
ein und legt es auf den 15. August; in der gesamten Ostkirche wird es ab dem 6. Jhd als „Entschlafung Mariens“ gefeiert. Spätestens ab
7. Jahrhundert feiert es auch die gallische (West-)Kirche am
15. August als die „Aufnahme Marias in den Himmel“. Mit der
Missionierung verbreitete sich das Fest auch ab dem 8. Jahrhundert in
Germanien und verdrängte hier heidnische Erntefeste. 1950 wurde die
Lehre von der „leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ von
Papst Pius XII. zum Dogma erhoben, also zum verbindlichen
Glaubensinhalt, erklärt. Traditionell werden vor allem im ländlichen
Raum Kräuter gesammelt und daraus Büschel gebunden, die am Hochfest
in den Gottesdiensten geweiht werden. Im Saarland und Teilen Bayerns,
Österreichs und der Schweiz wird an diesem Tag nicht gearbeitet. Vor
allem im Alpenraum versammeln sich da auch Menschen in den Gemeinden,
um gemeinsam diese Kräuterbuschen zu binden.
Mindestens sieben Kräuter müssen Marienverehrer dafür sammeln
(„sieben“ stehen für die sieben Sakramente oder die sieben
Schmerzen Mariäe). Aber das ist von Ort zu Ort und manchmal auch von
Familie zu Familie verschieden. Auch neun (drei mal drei;
Dreifaltigkeitssymbol), zwölf (für die Apostel) oder gar 77 sind
möglich. Nach der Weihe finden die Buschen ihren Platz im Haus. Meist im sogenannten "Herrgottswinkel" oder beim Herd
werden sie aufgehängt und dienen das Jahr über auch als Apotheke.
Die geweihten Buschen werden aber auch gern auf dem Dachboden
aufgehängt und sollen allda gegen Krankheit, Unheil und Blitzschlag
helfen. Zerriebene Blätter davon werden aber nicht nur Menschen
gegeben, sondern auch kranken Tieren ins Futter gemischt. Jede
einzelne Pflanze hat auch eine bestimmte Bedeutung; hier die Deutung
für den Kleinsten, den Siebenerstrauß:
Die Mitte bilden Rose (Maria) und Lilie (Josef).
Rosmarin soll zum guten Schlaf verhelfen, Salbei zu
Wohlstand, Weisheit und Erfolg. Wermut steht für Kraft, Mut
und Schutz, Minze für Gesundheit. Arnika soll gegen
Feuer und Hagel schützen. Für Glück und Liebe steht die Kamille,
Getreide für das tägliche Brot.
Mit „Aufnahme Mariens in den Himmel“
beginnt der „Frauendreißiger“, der am 12. September mit dem Fest
„Mariae Namen“ endet. Da finden im Alpenraum auch viele
Prozessionen statt.
Auch hier feiern wir am 15. August um
8:00 Uhr dieses Hochfest mit einer Messe. Mal sehen, ob jemand in der
Großstadt auch „einen Buschen“ mitbringt.
P. Adrian Kunert SJ
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