Donnerstag, 28. August 2025

Klimakrise, Krieg, Christus und ein neues Messformular

Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes,
und das Firmament kündet das Werk seiner Hände. Ps 19,2

Angesichts der Klimakrise könnte man meinen, mit der Inkraftsetzung des „Messformular zur Bewahrung der Schöpfung“ wird halt wieder eine Gelegenheit wahrgenommen, um auf den fahrenden Zug der Klimaretter aufzuspringen. Das macht die Kirche jetzt auch nicht attraktiver!

Doch so schlicht ist das nicht. Immer wenn wir in unserem Alltag auf Probleme stoßen, gibt es für Christen (und Juden) auch die Aufforderung in der Heiligen Schrift nachzusehen, ob Gott etwas zu diesem oder jenem Themenfeld zu sagen hat und wie man das übersetzt; denn natürlich hatten die Schreiber der Bibel noch nicht unseren Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit und auch nicht dasselbe Vokabular. So kann es sein, dass Antworten in der Bibel da sind, die vielleicht nur deswegen nicht verstanden werden, weil man in der Welt das Binnenkirchisch nicht versteht.

Als ich Jugendlicher war, also Anfang der Jahre 1980/81 gab es einen ökumenischen konziliaren Prozess zum Thema „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“. Angesichts des sauren Regens damals und in der DDR angesichts der auch später nicht entschwefelten Kraftwerke, war das eine dringliche Frage und auch eine Frage der Gerechtigkeit: Wie gehen wir mit der Schöpfung um? Zerstören wir sie? Beuten wir sie weiter aus? Wie wollen wir in Zukunft leben?

Das 1,5-Grad Ziel haben wir ja schon gerissen. Und es sieht nicht danach aus, als wollten sich die Nationen jetzt wirklich am Riemen reißen, um wenigstens die 2-Grad-Grenze zum Ende des Jahrhunderts zu vermeiden. Das wird aber zum Beispiel den Unterschied machen, wie viel Land an den Küsten verloren gehen wird und wie groß die für Menschen unbewohnbaren Gebiete rund um den Äquator dann werden, in denen es für Menschen zu heiß sein wird, um sich dort aufzuhalten. Und gerade jetzt richtet sich unser Augenmerk eher auf den Krieg in Europa mit seinem unmittelbarem Leid. Oder wir schauen auf die Folgen von Trumps bewusster Zerstörung der weltweiten Handelsstrukturen in der Welt, die er für kurzfristigen Profit für sich und seine superreichen Cliquen anrichtet und damit auch die Arbeitslosigkeit weltweit wachsen lässt. Wir schauen eher auf die damit verbundenen steigenden Lebenshaltungskosten und hier vor allem steigenden Preise für Energie. Das Thema „Klima“ gerät da leicht aus dem Blick. Und es gibt hier auch keine einfachen Lösungen. Was kann da ein neues Messformular helfen, das wir am 1. September nutzen werden?

Neben vielem, was dazu zu sagen wäre, möchte ich mich auf eine Sache konzentrieren, um gesamtgesellschaftlich wieder sprachfähig zu werden. Es stellte sich nämlich heraus, dass es einen Begriff gibt, der aus der Forstwirtschaft kommt, der mittlerweile nicht nur gesellschaftlich verstanden wird, sondern der auch sehr nützlich ist, um theologische Zusammenhänge verständlich zu machen; es ist der Begriff der „Nachhaltigkeit“.

Wo man in der Gesellschaft nicht nachhaltig lebt, zerstört man die Grundlagen, auf denen wir aufbauen. Da wo die Schöpfung statt dessen ausgebeutet und damit zerstört wird, zerstören wir auch unsere Zukunft – das ist banal und jeder weiß es. Aber der Begriff taugt auch, um zu erläutern, was „Sünde“ und „erlöstes Leben“ bedeutet; denn auch unter Menschen kann man ausbeuterisch leben, selbst in Familien die Energie aussaugen auf Kosten der anderen. Und so etwas bezeichnet man binnenkirchisch als „Sünde“.

Jesus zeigt uns in Seinem Leben nicht nur, wie nachhaltiges Leben gelingt; Er ermöglicht es sogar erst. Andreas und Johannes waren zwei Stunden mit Ihm zusammen (Joh 1,41) und erkannten, dass Er der Messias ist; übersetzt: so wie Jesus lebt, wie Er mit Menschen, ihren Schwächen und Stärken umgeht und sie wieder ins gute Gleichgewicht mit Gott bringt, kann das nur bedeuten, dass Jesus der ist, der Israel seit 1400 Jahren verheißen ist und auf den es seit mindestens 800 Jahren gewartet hat; denn

Christus ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
Denn in Ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden,
das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten;
alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen.
Er ist vor aller Schöpfung und in ihm hat alles Bestand.
Er ist
das Haupt, der Leib aber ist die Kirche.
Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; 
so hat er in allem den Vorrang.
Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen,
um durch ihn alles auf ihn hin zu versöhnen.
Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen,
der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut. Kolosserbrief 1,15-20

Es gibt so ein paar Wörter bei Übersetzungen, die schlecht übersetzbar sind, weil das Wortfeld, also alles, wofür es im Deutschen (und zumindest in allen germanischen und slawischen Sprachen) benutzt wird, sich stark vom dem Griechischen unterscheidet, das zur Zeit Jesu gesprochen wurde.

Wenn wir heute „Haupt“ hören, denken wir oft an „Oberhaupt“, „Chef“. Das ist aber nicht die Hauptbedeutung hier, da hätte man im griechisch damals eher das Wort „Erster“ verwendet. Was für unseren Fall hier viel wichtiger ist, ist die Bedeutung „Ursprung“. Zum Beispiel: Das Haupt des Flusses ist die Quelle. So ist es auch hier. Christus, Sein Auferstehungsleben, ist der Ursprung, quasi das Grundprinzip für Seinen Leib, die Kirche. Sie soll ebenso wie Er leben, damit sie wirklich Sein Leib ist. Das heißt: aus einem Grundvertrauen auf Gott. Das bedeutet, dass ich nicht mich selber in den Mittelpunkt stellen und mich selber sichern muss, sondern dass aus einer guten Beziehung zu Gott, meinem Nächsten und mir (und der ganzen Schöpfung), ein gutes, nachhaltiges Gemeinwesen erwachsen kann. Nicht gieriges Aussaugen aller Ressourcen, nicht sich selbst absichern wollen für die nächsten Generationen auf Kosten meiner Umwelt, sondern ein „nachhaltiges weil angstfreies Leben“ ist es, was Jesus ermöglicht.

Am 1. September diesen Jahres werden wir dieses neue Messformular benutzen. Es ist am Jahrestag, an dem mit dem Überfall Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg begann. Es ist eine Zeit, wo im selben bösen Geist Russland in Europa gegen ein friedliches Land im vierten Jahr einen Krieg führt, in dem die Ukraine um ihr Überleben kämpfen muss. Es ist eine Zeit, in der wir erleben, wie wir durch unsere Gier weiter privat und gesellschaftlich unsere Umwelt aussaugen, wie unsere sozialen und familiären Strukturen unter Stress geraten und zerbröseln. Darum wollen wir mit dieser Messe feiern, dass Gott uns in Jesus schon gezeigt hat, wie ein wirklich nachhaltiges Leben möglich ist, in dem der Mensch mit Gott und Seiner Schöpfung in Frieden leben kann und soll, und dass wir dies durch Seinen Heiligen Geist auch können.

P. Adrian Kunert SJ

Bild von digitalskennedy auf Pixabay 

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